Gewerbe- und Industriegelände an der Autobahn in Dessau-Süd

13.08.2021 Als sich ein erfahrener Mann der Geschäftsführung eines großen Betriebes aus Dessau-Roßlau in der Mitteldeutschen Zeitung mit einem Leserbrief zum Thema der Errichtung eines Gewerbe-/Industriegeländes in Dessau-Süd zu Wort meldete und die Notwendigkeit solcher „Chancen“ betonte, mussten wir darüber nachdenken, ob in der freien Wirtschaft die Aufgaben der öffentlichen Hand noch objektiv bedacht werden.

Es scheint inzwischen üblich, dass Unternehmen die öffentlichen Förderungen für betriebswirtschaftliche Investitionen als ganz selbstverständlich annehmen und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sowie den Einsatz von Subventionen als selbstverständlich voraussetzen, auch wenn sonst gerade aus der privaten Wirtschaft die Verschwendung im öffentlichen Bereich laut angeprangert wird.

Die Errichtung eines solchen Gewerbegeländes an der Autobahnabfahrt Süd bedeutet nämlich, dass allein die Anbindung an die Abwasserbeseitigung der Stadt, die Erschließung mit Wasser, Gas, Strom und nicht gerechnet der Verwaltungsaufwand rund 12 Millionen Euro kosten würde. Die Abholzung des Waldes und dessen planerische Umwandlung würden außerdem einen naturschutzrechtlichen Aufwand bedeuten, der eines Ausgleichs im Verhältnis 1 zu 4 bedarf. Dies heißt, dass für die verlustig gehenden 100 ha Wald an anderer Stelle 400 ha Ackerland in Wald umgewandelt werden müssten. Es würden der Landwirtschaft also 400 ha Fläche entzogen werden. Woher nehmen, wenn nicht stehlen??? Ackerland kostet zur Zeit etwa 20 T€ pro Hektar. Also müssten weitere 8 Millionen Euro für die Ausgleichsmaßnahmen aufgebracht werden. Hierbei sind aber die Pflanzungen der Bäume und die notwendigen Pflegemaßnahmen in den 50 Folgejahren noch nicht einberechnet. Ein Quadratmeter von 100 ha dort mitten im Wald, würde also einen Aufwand von 20 Euro bedeuten. Zusammen mit den Pflanzkosten für Bäume und den derzeitigen Preissteigerungen würden realistisch 40 Euro pro Quadratmeter gefordert werden müssen. Zu bedenken ist auch, dass die Landwirtschaft bereits viel zu viel Fläche verloren hat, obwohl dort ebenfalls für die Volkswirtschaft ein erheblicher Mehrwert geschaffen wird.

Die Tatsache, dass sich innerhalb der Region sehr wohl günstigere Flächen, aber in Zeiten des Klimawandels sicher kaum Argumente für die Umwandlung von Wald in Industriefläche finden lassen, sollte sachgemäß und ehrlich in eine Beurteilung einfließen. Und genau dies empfahl schon ein seinerzeit von Wirtschaftsdezernent Hantusch in Auftrag gegebenes Wirtschaftsförderungskonzept für die Stadt Dessau-Roßlau. Da weitere Gewerbeflächen mit direktem Zugang zur Autobahn im Stadtgebiet nicht zu schaffen sind (Biosphärenreservat und Gartenreich), sollte die Stadt mit Nachbarkommunen an der B6n kooperieren und ggf. ein gemeinsames Industrie- und Gewerbegebiet entwickeln. Unserem neuen OB empfehlen wir diese regionale Zusammenarbeit, die in letzter Zeit auch zu wünschen übrig ließ, um das Know How und die Investitionskraft unserer Stadt sinnvoller und konfliktärmer einzusetzen.

Hendrik Weber
Neues Forum – Bürgerliste

Wir für Dessau-Roßlau