Hochwasserschutz langfristig gedacht

24.06.2013 Das Hochwasser ist abgeklungen, die Aufräumarbeiten sind im Gange. Allen Helfern, die sich um unsere Heimatstadt verdient gemacht haben, sei gedankt – den vielen jungen Menschen unter den Freiwilligen, den professionellen Helfern aus ganz Deutschland, dem Katastrophenschutzstab und den Einsatzleitungen für ihr ruhiges und umsichtiges Handeln.

Die in den vergangenen Jahren umgesetzten Hochwasserschutzmaßnahmen, ob Sanierung der Deiche oder Schaffung zusätzlicher Überflutungsflächen, wohl aber erneut auch die ungeplanten Überflutungen nach Deichbrüchen flussaufwärts haben Dessau-Roßlau vor Schlimmerem bewahrt.

In der erneut beginnenden Diskussion über optimierten Hochwasserschutz werden wir auch die Frage zu klären haben, wie wir Natur- und Hochwasserschutz miteinander verbinden. Oberstes Ziel des Hochwasserschutzes ist die Sicherheit der Bevölkerung. Diese Sicherheit steht nicht im Gegensatz zum Naturschutz, wie derzeit von Politikern, die von ihrer eigenen Verantwortung und Versäumnissen ablenken wollen, Glauben gemacht wird. Ein Beispiel hat Ministerpräsident Haseloff (CDU) gegeben, als er erklärte, das Schöpfwerk in Roßlau sei noch nicht errichtet, weil eine Libellenart bedroht ist. Damit versucht er die Tatsachen verdrehend und die Ängste der Bevölkerung nutzend, den Naturschutz in Form der grünen Keiljungferlibelle gegen den Hochwasserschutz auszuspielen. Denn das Schöpfwerk wäre längst in Betrieb, hätte die Landesregierung die entsprechenden Mittel früher bereit gestellt. Trotz der Dringlichkeit lag erst 2008 eine fertige Ausführungsplanung für dieses Projekt vor, Baubeginn war erst 2012, die Fertigstellung für 2014 geplant.

Begründet mit der Beschleunigung von Deichbauprojekten möchte der Ministerpräsident nun auch die Chance nutzen, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger sowie die Belange des Naturschutzes zu beschneiden. Falsche Schuldzuweisungen und das Verdrehen der Tatsachen führen aber weder zu schnelleren Verfahrensweisen noch zu besseren Ergebnissen.

In den letzten Jahre setzte die Landesregierung vordringlich auf technischen und vernachlässigte den ökologischen Hochwasserschutz. Doch das diesjährige Hochwasser hat erneut gezeigt, dass alleiniges Setzen auf höhere Deiche das Problem nur flussabwärts verlagert. Die notwendige Ertüchtigung der Deiche in dicht besiedelten Gebieten ist nur dann wirksam ohne anderenorts Probleme zu verschärfen, wenn den Flüssen gleichzeitig wesentlich mehr Raum gegeben wird. Schon vor 2002 hatte die internationale Kommission zum Schutz der Elbe 35.000 Hektar als mögliche Flächen für Auenrenaturierungen und Deichrückverlegungen identifiziert. Nach dem Jahrhunderthochwasser waren sich alle politischen Akteure einig, diese Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen Doch sie wurden in Sachsen-Anhalt nur zaghaft vorangetrieben, realisiert oder in Planung begriffen ist nur ein Bruchteil des Notwendigen.

Nicht der Schutz der Natur, sondern die Eingriffe und die Missachtung ihrer Funktionen schaffen die Probleme. Durch den Klimawandel wird immer mehr Feuchtigkeit in der Atmosphäre gelöst. Dadurch treten Starkregenereignisse immer häufiger und großflächiger auf. Gleichzeitig werden diese riesigen Regenmengen durch die fortschreitende Versiegelung der Flächen und durch technische Maßnahmen wie Kanalisierung, Drainage usw. schneller in die Flüsse geleitet, die Hochwasserwellen laufen immer schneller und höher auf, überlagern sich und rasen mit enormer Kraft durch bewohnte Gebiete. Wenn wir den Hochwasserschutz nicht nachhaltig und ökologisch denken, werden wir die Situation nur weiter verschärfen. Wir müssen der Natur wieder mehr Raum geben.

Ralf-Peter Weber
Christoph Kaßner

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